Texte

Das Community-Projekt des Stadttheaters Fürth

Jeder Mensch ist ein Künstler.      Joseph Beuys

Was den Brückenbau ausmacht


von Jutta Czurda

"Jeder Mensch ist ein Künstler". Dieser Satz von Joseph Beuys ist ein leitmotivischer Gedanke im Brückenbau. Er adressiert das Verschüttete, das Nicht-Zugetraute, das Sehnsüchtige in uns und ist zugleich Forderung und Einforderung an das Theater: seine Türen, seine Werkstätten zu öffnen für diejenigen, die sich jenseits ihrer Alltagswelten eine neue innere und äußere Welt erspielen, ertanzen, ersingen wollen - in IHREM Theater. Die Seiten zu wechseln und vom Zuschauer zum Spielenden zu werden ist für viele, oft spät im Leben, die Verwirklichung eines Traumes.

Doch vor den Traum ist eine lange Reise gesetzt. In den Werkstätten und später in intensiven Recherche- und Probephasen wollen die Mittel des Theaters überhaupt erst einmal benannt, untersucht, am eigenen Leib erforscht und entwickelt werden. Es gehört eine Menge Mut dazu, sich selbst als schöpferisches Wesen zu erfahren, den raumgreifenden Schritt zu wagen, den gesungenen Ton an der Wurzel zu packen, den vollen Klang der eigenen Stimme zu hören, über sich selbst hinauszuwachsen und sich ganz und gar der Suche nach dem Authentischen zu öffnen.

So gilt dem Körper als "Refugium des Authentischen" (Thomas Reher) in allen Sparten des Brückenbaus die Aufmerksamkeit. Der Körper ist der Ort, mit dem uns die Welt erfahrbar wird, durch den wir in der Welt sind. Der Körper des Spielenden, Sprechenden, Singenden, Tanzenden wird zu einem Instrument, zu einer Transformatoren-Station zwischen Innen und Außen, zu einem Instrument, das neu gestimmt und eingestimmt werden muss. Oft auch müssen das Spüren, Fühlen, das Ruhigwerden und Lauschen, das Wahrnehmen erst einmal wieder entdeckt und geübt werden. Dazu braucht es einen vertrauensvollen Raum, ein Miteinander, in dem jeder angstfrei lernen und  experimentieren kann. Der sinnliche Umgang mit dem eigenen Körper und mit dem Körper des anderen muss wieder spielerisch und lustvoll sein dürfen. Oft muss, jenseits von Konvention und Tabu, mühsam erlernt werden, wieder ‚berührbar‘ zu sein.

So ist vor die Bühnenarbeit im Brückenbau immer auch die Selbsterfahrung gesetzt. Nicht im Sinn einer Selbsterfahrung, deren Ziel eine persönliche, psychologische Therapie sein will, sondern eine Selbsterfahrung, die den Menschen als Ganzes, im Leib-Seelischen, im Reflektierend-Mentalen und im Emotionalen für das künstlerische Geschehen vorbereitet und einstimmt.

Denn jetzt erst kann ein Transfer in die Bühnenarbeit entstehen, in die schauspielerische, sängerische, tänzerische, tanztheatrale und performative Gestaltung. Jetzt können Geschichten erzählt werden. Jetzt können Körperwahrnehmung, Stimme, Haltung, Spiel zu Geschichten verwoben werden. Jetzt kann untersucht werden, wie diese Geschichten erzählt werden wollen, welche gestalterischen und inszenatorischen Stilmittel, welche Bewegungssprache, welche Haltung eine Erzählung braucht. Ästhetische Entscheidungen müssen fallen. Bühnenbild und Licht, Kostüm und Maske entstehen. Alle Gewerke des Theaters arbeiten zusammen. Diejenigen, die einmal Zuschauer gewesen sind, sind nun die Hauptdarsteller ihres eigenen Traumes.

Diese sogenannten Laien nimmt das Theater ernst. Sie sind gemeint, gehört, gesehen. Sie werden zu Anproben einbestellt, an ihnen wird Maß genommen. Sie werden von der Inspizientin eingerufen, wie die professionellen Kolleg*innen an den Abenden zuvor eingerufen worden sind. An den Garderoben stehen sorgfältig ihre Namen geschrieben. In ihrem Kostüm ist ihr Name eingenäht. Mit ihnen sitzt das gesamte Produktionsteam bis spät nachts zur Kritik zusammen. Die Regisseur*innen machen keinen Unterscheid zwischen Profis und Laien. Szene für Szene, Satz für Satz werden ausgelotet. Mit der Unbedingtheit des Theaters wird bis zur Premiere um das Stück gerungen.
 
So stellt sich langsam das ein, was nicht vorstellbar war. Diejenigen, die im Zuschauerraum saßen, lernen nun ihr Theater und seine Menschen und seine Abläufe von innen kennen. Ihr Verständnis von Theater ist durch diese Erfahrung eine andere geworden, ihre Wahrnehmung eine genauere, ihre Einfühlung und Reflektion eine feinere. Die Trennung durch die 4. Wand ist aufgehoben. Sie sind in IHREM Theater angekommen.

Und dann gibt es noch etwas, das über das bisher Gesagte weit hinausweist und doch durch das Theater erst möglich geworden ist: dass durch solche Prozesse des Gemeinsamen, des Selbsterfahrens, des Recherchierens, des Ringens um eine Theater-Produktion ein Bezogen-Sein, Beziehungen und Freundschaften untereinander entstehen, die über das Theater hinausführen. Dass eine Gemeinschaft entsteht, die im gegenwärtigen gesellschaftlichen Bild wie ein utopischer Entwurf wirkt: die Utopie eines Gemeinschaftskörpers, wo das Brückenbauen zwischen Mensch und Mensch im Sinn der Beuyschen sozialen Plastik weit über die Kunst hinausreicht – und doch durch sie bedingt ist. Sie wird zu einer Möglichkeit des Zusammenseins und -lebens, zu einem geschützten Raum, in dem ein Gegenentwurf zur Vereinzelung und Entfremdung möglich erscheint. Da ist der Brückenbau am Berührendsten - und vielleicht auch am Sinngebendsten - und steht so im besten Sinn für eine so dringend notwendige, gemeinsame und berührbarere Welt.

Die Bürgerbühne am Stadttheater Fürth


von Johannes Beissel (Theaterpädagoge, Leiter Jugendclub / Bürgerbühne)
Wie stark die Fürther Bürger schon seit jeher mit ihrem Stadttheater verbunden sind, lässt sich in der gesamten Geschichte des Stadttheaters ablesen: Schon als 1898 ein "Theatercomité" - eine Art Vorgängerorganisation unseres heutigen Theatervereins – in der Nordbayerischen Theaterzeitung ein Spendenaufruf startete, um einen Theaterneubau zu ermöglichen, spendeten Fürther Bürger innerhalb einer Woche 283.873 Mark. Diese nicht nur für die damalige Zeit immense Summe, die später durch Sachspenden noch weiter aufgestockt wurde, deckte mehr als ein Viertel der kompletten Kosten für den Neubau ab.
Viele weitere Beispiele stehen über die Jahrzehnte hinweg bis heute für die großartige Unterstützung des Theaters durch Fürther Bürger und ortsansässige Firmen. Einige sollen an dieser Stelle kurz erwähnt werden, um deutlich zu machen, wie stark das Stadttheater schon immer in der Fürther Bürgerschaft verwurzelt war und dass es schon immer im besten Sinne ein Bürgertheater war und bis zum heutigen Tag geblieben ist:
Als in den 70er Jahren sehr kostspielige Renovierungsarbeiten notwendig geworden waren, unterstützten neben Geldspenden aus sehr breiten Bevölkerungsschichten auch die Brüder Eckart und Leonhard Kurz und ihre Firma mit teuren Materialspenden die Vergoldungs-Arbeiten maßgeblich.
Als im Rahmen des auch international höchst positiv wahrgenommen Projekts „Mayim Mayim" von Jutta Czurda Gastfamilien für 33 Tänzerinnen und Tänzer aus der ganzen Welt unter den Fürther Bürgern gesucht wurden, gelang dies innerhalb kürzester Zeit. Zum Teil sind aus diesen Begegnungen zwischen den Fürthern und Tänzerinnen und Tänzern aus aller Welt Freundschaften entstanden, die bis heute gepflegt werden.
Auch ein Beispiel aus der jüngerer Vergangenheit verdeutlich die nach wie vor ungebrochene Verbundenheit der Fürther Bürger mit ihrem Stadttheater: Als in der Sommerpause 2014 die komplette Bestuhlung im Stadttheater ausgewechselt wurde, war dies nur möglich, weil hunderte Menschen finanzielle Patenschaften für die Neubestuhlung übernahmen.

Was aber hat es nun mit der Bürgerbühne am Stadttheater Fürth auf sich?

Der entscheidende Schritt vom Bürgertheater - das unser Stadttheater ja wie ausgeführt schon immer war - hin zu Bürgerbühnen-Projekten ist die Öffnung für einen Spielbetrieb, im Rahmen dessen Fürther Bürger die Bühne auch als Spielende erobern -  in professionell erarbeiteten Inszenierungen und Choreografien, unter der künstlerischen Leitung von Choreografen und Regisseuren und unterstützt durch alle Abteilungen und Gewerke des Theaters.
Schon seit Jahren erarbeitet das Stadttheater im Rahmen des Brückenbau-Projekts, aber auch in den Jugendclubs, den Kids-Clubs, mit dem Jungen Ensemble und in zwei Arbeiten mit ehemaligen Quelle-Mitarbeitern Inszenierungen mit Laien unter professionellen Bürgerbühnen-Bedingungen und professioneller künstlerischer Leitung.

Mit dem Bekenntnis zum Terminus „Bürgerbühne" stellt sich das Stadttheater Fürth in einen Kontext mit vielen anderen Theatern in Deutschland, aber auch in ganz Europa und erhofft sich einen wertvollen Austausch (zum Beispiel über Qualitätskriterien) mit diesen Theatern, an denen Bürgerbühnen-Projekte wie an unserem Haus eine wichtige Rolle spielen. An immer mehr Theatern entstanden und entstehen in den letzten Jahren neben den etablierten Sparten wie Tanz, Schauspiel und Musiktheater als zusätzliche neue Sparte eine Bürgerbühne. Dies wird auch daran deutlich, dass es seit 2014 ein eigenes jährliches Festival für europäische Bürgerbühnen-Inszenierungen gibt.

Theater - Kidsclub und Jugendclub Fürth


von Bettina Härtel & Johannes Beissel
Jeder Mensch ist ein Künstler.
Davon sind wir bei den jungen Bürgerbühnen auch überzeugt. Aber vielleicht ist uns das gar nicht so wichtig.

Wichtig ist uns, eine gute Gemeinschaft für jeden und jede zu sein, ganz unabhängig davon, wie gut irgendjemand irgendetwas kann (zum Beispiel unsere Sprache), wie schlau oder doof jemand ist, wieviel Geld jemand hat oder ob jemand das ein oder andere Handicap mehr oder weniger hat, wir haben ja alle Gott sei Dank jede Menge davon.

Wir wollen eine Gemeinschaft sein, in der junge frau und junger man sich ausprobieren darf, in der jede und jeder nach Herzenslust Fehler machen kann, in der wir uns selbst, die anderen und den Raum um uns herum neu und anders kennenlernen dürfen. 

Wir wollen eine Gemeinschaft sein, in der wir uns füreinander und das Spiel der anderen interessieren, in der es keine Haupt- und Nebenrollen gibt, sondern ein verbindendes Ziel miteinander etwas für Publikum entwickeln. Meistens nennen wir das, was „am Ende“ (also dann, wenn wir etwas aufführen) dabei rauskommt, Theater, manchmal aber auch Performance, Lesung, Aktion oder ganz anders.

Wir wollen eine Gemeinschaft werden, in der auch das Scheitern, das Fehler machen und das ganz wo anders ankommen, als man ursprünglich hinwollte, Ihren Platz haben dürfen, auch wenn das Scheitern und das Fehler machen einen so schlechten Ruf in unserer Gesellschaft haben, dass das noch ein langer Weg sein wird. Wir versuchen dem mit Lachen zu begegnen.

Wir sind eine Gemeinschaft, in der wir zusammen Blödsinn machen und dann wieder ganz tiefsinnig sind, in der wir diskutieren, über Gott und die Welt nachdenken und vor allem ganz viel spielen und ausprobieren: Mit uns, mit Dingen, die im Spiel anders benutzt werden als im Alltag, mit den anderen, an einem bestimmten Ort und manchmal auch außerhalb unserer Probenräume im öffentlichen Raum. Eine Gemeinschaft, In der wir rumhampeln, wie verrückt rumspinnen und manchmal gar tanzen. Und dann wieder ganz still werden, Neues zulassen und neu hinhören und hinspüren lernen wollen. Eine Gemeinschaft, die Freude am Spielen hat und die Welt, in der wir leben, hinterfragt.

Wir wollen eine Gemeinschaft sein, die unsere Welt ein bisschen besser, gerechter und für manche auch ein wenig erträglicher machen will: Manchmal gelingt uns das, manchmal nicht, aber wir versuchen es immer wieder.

Theaterbegeisterte, spielfreudige und zuverlässige junge Menschen zwischen 16 und 21 Jahren können zu Beginn der Spielzeit 2020/2021 im September oder im Oktober wieder in den Theater Jugend Club Fürth einsteigen. Ab November startet dann der Kids Club für Kinder von 9 bis 15 Jahren. Wir freuen uns auf Verstärkung und frisches Blut – wir freuen uns auf Euch!
Junge Menschen aller Nationalitäten ohne und mit Handicaps sind herzlich willkommen. Auch wenn ihr noch nicht gut Deutsch könnt, ist das kein Problem.
Beim Jugendclub spielen manchmal auch einzelne ältere Menschen mit. Das hängt vom Thema oder vom Stück ab, das wir spielen. Theater machen, Theater sehen und darüber sprechen gehören in unserem Jugendclub zusammen.
Der Theater Jugendclub Fürth wird von der Schauspielerin und Theaterpädagogin Sue Rose und dem Theaterpädagogen Johannes Beissel geleitet. Unterstützung bekommen wir dabei immer wieder von Künstler*innen und Künstlern aus unserem Ensemble und anderen Gästen, zum Beispiel aus den Bereichen Gesang, Bewegung und Musik.
Der Theater Kids Club wird von der Theaterpädagogin Bettina Härtel geleitet.
Zusätzlich zu unseren eigenen Theaterproben werden wir mit Euch immer wieder Vorstellungen und Proben im Stadttheater und im Kulturforum besuchen.
Die Teilnahme an den jungen Bürgerbühnen in Fürth ist kostenlos.

Kontakt Jugendclub: Johannes Beissel, Theaterpädagoge am Stadttheater Fürth,  johannes.beissel@fuerth.de
Kontakt Kids Club: Bettina Härtel, Theaterpädagogin am Stadttheater Fürth, bettina.haertel@fuerth.de


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